Wer mehr als 75GB Traffic im Monat macht ist doch eh ein Raubkopierer!

Kurzzeitig juckte mich als alternative Überschrift auch „Fickt Euch, Ihr Arschlöcher!“, aber ich ich habe mich dann doch für die etwas harmlosere Variante entschieden. Seit die Telekom die „Drosselung“ von DSL-Anschlüssen bei Überschreiten eines bestimmten Traffics angekündigt hat, wird eifrig diskutiert. Die einen machen sich Sorgen um die Netzneutralität, während die anderen vorwerfen, dass das Thema Netzneutralität nur vorgeschoben wäre und es doch nur darum ginge möglichst billig an Raubkopien zu kommen, Kostenloskultur und so.

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Wie oft musste ich in den Diskussionen zu dem Thema lesen, dass jeder, der mehr als 75GB pro Monat braucht doch nur ein Raubmordkopierer wäre? Keine Ahnung, ich habe aufgehört zu zählen. Fällt auch schwer zu zählen, wenn man kotzen muss. Ein Blick in die Statistik unserer Fritz!Box hier verrät, dass wir im März 309,80 und im April bisher 209,95 GB Traffic verursacht haben. Wir sind in dem Fall Andrea und ich, die wir diese 3000er-DSL-Leitung nutzen. Wir hätten natürlich gerne schnelleres DSL, wie es auf der anderen Strassenseite möglich wäre, dort gibt es 16K und VDSL, aber dummerweise hatte sich die Drosselkom entschlossen die paar Meter Kabel mehr nicht zu verlegen, die nötig wären, damit wir ebenfalls schneller ins Netz könnten.

Aber es geht ja um den Traffic: Wenn es also nach einigen Kommentatoren ginge, dann müssten wir hier wohl in einer Tour durch „Raubkopien“ ziehen. Tun wir aber nicht. Nichts illegales. Wie kommen wir also auf diesen Traffic? Versuche es gerade mal für März zusammen zu bekommen: Drei Filme bei iTunes gekauft (natürlich HD) und zwei Serien-Staffeln (ebenfalls HD), mehrere Download-Alben bei Amazon, iTunes und Bandcamp, dazu etwa 130 digitale Bemusterungen für venue music von Bands und Labels, die wir entweder gestreamt oder runtergeladen haben, eine ganze Reihe von Pressepaketen für MobileGeeks mit Videos und hochauflösenden Fotos, etwa 40 Demo-Songs von Bands mit denen wir befreundet sind und/oder zusammen arbeiten (die wollen ja Feedback), jede Menge Software-Updates für 9 Rechner (davon 4 x Mac, 3 x Windows, 2 x Linux – inklusive den virtuellen Maschinen), zwei iPads, zwei iPhones, ein Google Nexus, neu – gekaufte oder legal kostenlose – Software als Download für alle vorgenannten Systeme, Dropbox um etwa 2.000 Fotos zum größten Teil in Originalauflösung und 53 Videoclips an Familie, Freunde und Kunden weiter zu geben oder von denen zu bekommen, ein paar Filme und Serien bei Lovefilm und MyVideo geguckt, recht intensive YouTube- und Spotify-Nutzung, Backups von Webserver-Inhalten auf lokale Platten…

Keine Ahnung, ob ich irgendwas vergessen habe, aber ich kann absolut guten Gewissens sagen: Nein, der ganze Traffic war vom ersten bis zum letzten Byte legal. Und selbst wenn ich das abziehe, was wirklich nur die Arbeit betrifft kommen wir immer noch locker über die 75GB pro Monat. Könnte die Telekom uns hier endlich mal VDSL legen, dann wären wir vielleicht gar nicht mal (so sehr) von einer Drosselung betroffen, mit 300GB kämen wir ja aus – aber seit Jahren(!) schafft es die Telekom nicht, uns hier das anzubieten, was auf der anderen Strassenseite möglich ist. Klar, Werbung für das „neue Turbo-DSL“ bekommen wir reichlich, aber bei jeder Nachfrage heisst es nur: „Nö, geht bei ihnen nicht, keine Ahnung ob es das jemals oder wann bei ihnen geben wird.

Aber Kabel Deutschland geht. An sich sind die mir zwar ein wenig unsympathisch wegen der ständigen Werbung und weil der Analog-Empfang von zwei Sendern hier im Haus gestört ist, seit der erste hier sein Internet von denen bezieht, aber egal. Die bieten höhere Bandbreite für weniger Geld und drosseln fast nicht. Nur fast, wobei ich mit deren Drosselung leben kann: Wer mehr als 10GB/Tag mit Filesharing macht, bei dem werden diese Anwendungen auf 100KBit/s für diesen Tag gedrosselt. Immerhin ist es ja nicht so, dass Kabel Deutschland einen eigenen Filesharing-Dienst anbieten würde, der von dieser Drosselung ausgenommen wäre – aber genau das macht die Telekom: Deren eigenes Entertain und VoIP werden vom Trafficlimit ausgenommen, wer aber lieber Filme bei Maxdome, Lovefilm, Watchever oder in den Mediatheken der Sender schaut oder über Sipgate oder Skype telefoniert, der ist angeschissen.

Und genau darum geht es bei der Netzneutralität: Um die frei Wahl des Anbieters! Man stelle sich vor, in einem Einkaufszentrum stünden vor manchen Geschäften Türsteher, die von den Kunden eine Extragebühr für das Betreten des Ladens verlangen: „Ja, bei Rewe dürfen sie kostenlos rein zum Einkaufen, wenn sie aber bei Aldi einkaufen wollen kostet es extra, dort sind die Lebensmittel schließlich billiger…“ Ja klar, denn wer bei Aldi einkauft will schließlich nur Lebensmittel besonders billig haben, der soll dafür mal extra zahlen! Abwegig? Unlogisch? Aber es soll logisch sein, dass man bei der Telekom extra zahlen soll, wenn man statt Entertain lieber einen anderen Service nutzt?

Wie das aussieht und es funktioniert zeigt doch schon die Telekom-Spotify-Partnerschaft: Man hole sich das Abo über seinen Mobilfunkvertrag der Telekom und schon wird der dabei entstehende Traffic nicht mehr auf das Volumen des Vertrages angerechnet. Man würde lieber einen anderen Streamingdienst nutzen und das auch mobil? Geht schon, aber dann gibt es den mobilen Internetzugang ganz flott nur noch im Schneckentempo.

Mal schauen, wie das ausgeht, zwar werden sich die großen Parteien kaum der Forderung anschließen eine „Deprivatisierung“ der Kommunikationsnetze zu prüfen, aber immerhin hat unser Bundeswirtschaftsminister wohl schon zur härtesten Waffe gegriffen, die einem Wirtschaftsminister der FDP zur Verfügung steht: Er hat einen Brief geschrieben und gedroht darüber nachzudenken zu prüfen, ob man das Thema Netzneutralität vielleicht sogar gesetzlich regeln könnte.

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Den Soundtrack zu diesem Telekom-Schwachsinn gibt es inzwischen auch bei iTunes(*), die Erlöse gehen an Netzpolitik.org.

37 Comments

Na, du wirst doch wohl nicht etwas deine Internet-Leitung auch noch für geschäftliche Zwecke nutzen? Du, du, du!

Wir hatten ganz am Anfang eine Zeit lang bei zwei Rechnern im Büro eine Standleitung die nach Traffic bezahlt wurde. 100 GB waren frei, danach gab es eine Drosselung auf Modem-Speed und man musste sie aufheben lassen. Kam nicht nur einmal vor, dass es dort rein lief und das def. auch nur mit “Arbeits-Traffic”.

Einmal unabhängig der Rechnung wegen gesehen, ist es doch interessant, dass die Telekom selbst Produkte teuer und breit bewirbt die aktiv den Traffic über ihre Leitungen ankurbelt und extra berechnet (bspw. T-Home) – und für das es echte Alternativen gäbe – und sich dann hinstellt und sagt “Oh weh, bald sind unsere Leitungen dicht, das geht nicht, aber Ausbau auch nicht, dafür fehlt mit unseren Teuren-Billigtarifen leider das Geld – also begrenzen wir euch und damit es nicht ganz so böse wirkt, sagen wir nicht klar, dass unsere eigenen Dienste nicht begrenzt werden”

Selbst wenn ich es streng trennen wollen würde, ist in der Branche einfach nicht möglich. Wenn mir ein befreundeter Musiker, für den ich auch arbeite eine Demo schickt und „nur mal eben deine Meinung“ will, was ist das dann? Will er meine Meinung als Privatmensch oder doch eher meine Meinung als jemand, der in der Branche arbeitet?

Abgesehen davon: Ich würde ja liebend gerne mehr zahlen, wenn ich dafür eine schnellere Leitung bekäme… naja, ich hätte gewollt, jetzt will ich nur noch weg von der Drosselkom.

Carsten Dobschat

@Maik: Einer der schlechtesten, aber mit welcher Begründung ist mein Weblog geblockt? Das würde mich mal interessieren 🙂
@Tobias: Dafür gibt es dann den YouTube-Pro-Tarif, ausgehender Traffic zu YouTube wird dann nur noch halb gedrosselt 😉

Maik Steffen

also carsten… hier steht:
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Susanne Selsam

Bei all den Geräten wie Smartphone, Tablet, Notebook, PC etc. im Haushalt, die inzwischen permanent online sind, ist die Kontrolle, wie viel GB man verbraucht hat, immer wichtiger. Auf jeden Gerät separat macht wenig Sinn, daher sollte man das dem Router überlassen. Sofern der das kann. Router mit Display und Trafficanzeige werden wohl bald sehr gefragt.

Boris Schneider

Das ist das sture Vorgehen der Telekom den neuen Traffic zu monetarisieren. Erst wird das Internet dermaßen weiterentwickelt, dass Flatrate nötig ist und nun soll es wieder begrenzt werden. Ich rieche Geldgeilheit!

Die Drosselung betrifft doch nur neue Verträge… sprich wenn ich meinen bisherigen Tarif mit 16k bis zum heiligen Sanktnimmerleinstag behalte bin ich nicht betroffen…

Ja davon ist aber (zumindest bisher) nicht die Rede… selbst die Drosselung für die neuen Verträge soll sich ja noch bis 2016 hinziehen.

Mal sehn was die neuen Tarife :
– pro Monat kosten
– wie teuer diese Pakete sind wo man sein Highspeed Volumen erhöhen kann.

Finde das zwar auch alles zimlich sch……ader aber verrückt mach ich mich deswegen noch nicht. ^^

Ich habe gerade im Podcast von Tim Pritlove einen guten Vergleich zum Thema Flatrate und Drosselung gehört. Die Drosselung ist ungefähr so zu sehen, als wenn man ein Auto mieten würde und in der Werbung hieße es, das alle Kilometer frei wären, aber nach einer gewissen Anzahl gefahrenen Kilometern, die Geschwindigkeit auf 300 Meter pro Stunde gedrosselt werden würde. Ich glaube, dieser Vergleich ist legitim und auch für weniger Netzaffine Personen verständlich.

Kevin Kleebusch

Ich kann dir gar nicht sagen wie recht du hast. Ich mache jetzt am Wochenende einen guten alten Brief fertig in dem ich ausdrücke wie unzufrieden ich mit dieser Änderung bin, Kündigung androhe und gleich mal Frage was es den kosten soll seinen “Highspeed-Traffic” zu erhöhen. Ich bekomme echt langsam Kotzanfälle wenn ich ignorante Leute immer wieder dahingehend berichtigen muss einfach mal alle Standpunkte zu sehen. Viele Leute denken sehr sehr kurzsichtig was das ganze Thema angeht.

Blogparade zum eigenen Netz-Nutzungsverhalten › Dobschat

[…] gibt es auch eine Blogparade zum Thema – etwas zu spät für mich. Ich habe ja schon zu meiner Nutzung geschrieben und auch meine Meinung zu dem Thema habe ich mehr als einmal abgeladen. Aber vielleicht ist das ja […]