Die Lizenz zum Geld drucken

So, mal einen Tag warten und ruhig nachdenken, dann sollte doch die Aufregung über das wohl kommende neue Urheberecht etwas abklingen? Nein. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr regt mich das auf…

Es geht ja nicht nur um den Wegfall der Bagatellklausel, um die Kriminalisierung von Menschen, die nichts weiter machen, als einen “Kopierschutz” zu umgehen (sei es durch “Knacken” oder durch den Download der entsprechenden Songs, die man schon auf einer Un-CD gekauft hat), um gekaufte (Entschuldigung, lizensierte) Musik auf dem Player Ihrer Wahl zu hören oder um einen Film, den man auf DVD besitzt auf seinem mobilen Video-Player schauen zu können. Nein, zusammen mit der Änderung, dass in Zukunft Verträge über zukünftige Nutzungsformen möglich sind haben die Verwerter solcher Rechte in Zukunft praktisch eine Lizenz zum Geld drucken.

Wie war es bisher? Verträge über unbekannte Nutzungsformen waren nicht möglich, was auch ein Grund dafür ist, dass es viele alte Sachen nicht in Download-Shops gibt. Es konnten einfach keine Verträge gemacht werden in der Art “Plattenfirma XY darf alle meine Songs auf allen heutigen und zukünftigen Vertriebswegen unter die Leute bringen”. Es musste also für den Download oder für Klingeltöne nachverhandelt werden und einige Musiker wollten das einfach nicht – ist ja auch ihr gutes Recht! Es gibt nicht wenige Musiker, für die es eine Horrovorstellung wäre, ihre Songs zu Klingeltönen verwurstet zu sehen oder ihre Alben in Einzeldownloads zerstückelt verkaufen zu lassen.

In Zukunft werden die Verträge der Plattenfirma mit Sicherheit eine Klausel für beliebige neue Vertriebswege und Nutzungsformen enthalten – und die Position der meisten Musiker bei solchen Vertragsverhandlungen ist nicht so gut, dass sie sich gegen solche Punkte wehren könnten.

Und was ist daran schlecht? Wäre das vorher schon so gewesen, dann gäbe es doch viel mehr Musik in den Download-Shops, oder nicht? Durchaus richtig, aber es gäbe auch viele Nachteile für die Konsumenten. Es mag heute noch unvorstellbar sein, dass wir noch eine Revolution erleben werden, wie sie das MP3-Format und Breitbandzugänge ausgelöst haben, aber sie wird kommen. Und wie sähe es dann aus?

Folgende Vorstellung: CDs werden also in Zukunft praktisch nur noch mit “Kopierschutz” verkauft, Download-Songs mit DRM, das ein Konvertieren unmöglich macht – zumindest auf legale Weise. Jetzt taucht ein neues Format auf, dass unglaublich kleine Dateigrößen erlaubt. Songs, die heute 3-4MB Größe haben, werden mit diesem Format auf 500KB zusammenschrumpfen – ohne Qualitätsverlust. Jetzt kaufen sich viele Leute neue Player, aber wie sieht es mit den Songs aus? Die CDs dürfen nicht mehr gerippt werden, man müsste ja schließlich einen “Kopierschutz” umgehen, die Songs aus Download-Shops dürfen nicht konvertiert werden – man müsste ja das DRM umgehen. Was also muss man machen? Neu kaufen…

Und dann wäre da noch das kommende Nachfolge-Format zur CD. Vorhandene CDs rippen und auf den neuen Medien neu brennen? Nein, geht ja nicht, man müsste ja den “Kopierschutz” umgehen. Also was steht an? Neu kaufen…

Die Musikindustrie hat sich bei der Einführung der CD dumm und dämlich verdient, weil viele Menschen sich ihre LP-Sammlungen noch mal auf CD gekauft haben. Dummerweise hat die Industrie dabei vergessen, dass die Musik nun digital vorliegt, sich also verlustfrei kopieren lässt. Und jetzt soll das Rad einfach zurück gedreht werden, bei der Einführung des nächsten Mediums (sei es physikalisch oder ein digitales Audioformat) sollen die Kunden wieder neu kaufen müssen. Verlustfrei umkopieren ins neuen Format? Nein, wenn das möglich wäre, dann müsste man ja nicht neu kaufen. Da es sich aber technisch nicht wirklich verhindern lässt geht man nun den Weg über die Politik.  Denn das alles funktioniert nur, wenn das Urheberrecht nach den Vorstellungen dieser Industrie gestaltet wird. Man jammert lange rum, wie schrecklich doch alles sei mit den bösen Raubkopierern, unglaublich Umsatzverluste und die Lobbyisten machen den Rest. Und das mit Erfolg…

Man könnte natürlich anmerken, dass die Musikindustrie hier mit unfairen Zahlen hantiert. Es gab einen tierischen Boom mit der Einführung der CD – wie schon erwähnt haben viele noch mal gekauft, was sie schon auf LP hatten – dann der Fall der Mauer, Millionen Menschen mit einem riesigen Nachholbedarf in Sachen Musik. Und wenn man sich die Einkommen in den letzten Jahren anschaut: eine echte Steigerung ist da nicht zu sehen. Dafür aber geben die Menschen ihr Geld inzwischen eben nicht mehr nur für Musik aus, sondern auch für DVDs, Handys, Internet, Klingeltöne… Es ist doch logisch, dass die Umsätze zurück gehen! Aber das scheint kaum einen in der Politik zu interessieren – da haben die Lobbyisten ganze Arbeit geleistet.

Was war zum Beispiel mit der Kulturflatrate? Nette Idee, oder? Man erlaubt weiterhin Privatkopien, auch das Umgehen eines “Kopierschutz” für den Privatgebrauch wird wieder erlaubt und sogar Tauschbörsen werden legalisiert. Dank der Technik wäre es problemlos möglich, legale Tauschbörsen einzuführen, in denen genau erfasst wird, welche Songs wie oft geladen werden. Und alle Nutzer dieser Tauschbörsen zahlen eine Pauschalgebühr an die GEMA, die dann an die Urheber ausgeschüttet wird – man weiss ja sogar genau, wie oft welche Songs geladen wurden, also absolut fair. Aber halt… da würden ja die Vertriebe leer aus gehen. Blöde Sache das…

Solche Ideen haben keine Lobby, denn eine Lobby haben nur die, die das Geld haben und investieren diese aufzubauen und zu unterhalten. Und weder die Masse der Musiker, noch die Konsumenten haben eine Lobby, die mit der der Konzerne vergleichbar wäre.

Und was soll man jetzt machen? Öfter Urlaub in Frankreich? Boykottieren? Ich weiss es nicht… ein Anfang wäre vielleicht mal selber aktiv zu werden. Die Bundestagsabgeordneten aus dem eigenen Wahlkreis anschreiben, mit Familie, Freunden und Bekannten über das Thema sprechen – vielen ist einfach gar nicht klar, was das neue Urheberrecht bedeuten wird. Vielleicht kann man ja doch noch was verändern – aber dazu müssten es wirklich sehr viele Menschen sein, die hier ihre Meinung laut und deutlich äußern. Und das auch sehr schnell…

Und es sollten sich auch endlich mal die Urheber äußern, die Autoren, die Musiker. Auch diese sollen sich das neuen Urheberrecht anschauen und sich mal intensive Gedanken dazu machen und sich überlegen, ob hier wirklich ihre Rechte als Urheber gestärkt werden sollen oder nicht doch eher die Rechte der Rechteverwerter. Ein fairer Interessenausgleich zwischen Urhebern, Rechteverwertern und Konsumenten sieht anders aus. So wie es sich bisher darstellt stehen die Autoren, Musiker und die Konsumenten auf der gleichen Seite: auf der Verlierer-Seite…