Correctiv greift ins Klo, aber so richtig tief

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Klingt gut, oder? Das ist die Eigenbeschreibung von Correctiv. Eigentlich doch eine prima Sache, aber dazu passt der aktuelle Griff ins Klo mal so gar nicht. Der ist so richtig tief, auf BILD-Niveau. Mindestens. Und es bereitet mir beinahe körperliche Schmerzen, aber in dem Fall muss ich tatsächlich irgendwie eine AfD-Politikerin verteidigen…

Von einem „Sexskandal“ ist da die Rede. Und warum? Weil eine Kandidaten für den NRW-Landtag früher anscheinend mal nebenbei als Prostituierte gearbeitet haben soll. Und Erfahrungen in „Swingerclubs, SM und Fetischszene“ habe sie gemacht. Und jetzt mag man sich die Frage stellen: Na und? Jeder Mensch, auch ein AfDer, hat das Recht auf ein Privatleben und Sex gehört dazu. Und auch die Entscheidung freiwillig als Sexarbeiterin tätig zu sein, geht nur sie etwas an. Es war nicht illegal, ihre Einnahmen hat sie wohl auch versteuert – wo ist da bitte der Skandal?

Politisch relevant mag eher sein, dass die Frau von ganz links kommt, früher mal bei der PDS war. Das wäre relevant für potentielle Wähler. Aber welche Sex-Praktiken sie probiert hat und aus welchen Gründen sie mit wem auch immer im Bett war, ist politisch irrelevant. Selbst bei einer Kandidatin für eine Partei, die sich „gern als Saubermann-Partei darstellt“. Dass es bei der Partei und ihren Spitzenleuten ziemliche Diskrepanzen zwischen Programm und Realität der Personen gibt, ist ja nun wirklich lange genug bekannt.

Ehrlich jetzt, wenn die Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl offen lesbisch mit ihrer Partnerin und Kindern wie eine Familie zusammen lebt und das dann auch noch in der Schweiz, wo sie anscheinend auch ihre Steuern zahlt, dann muss man doch nicht darüber diskutieren, dass sich das Spitzenpersonal dieser Partei einen feuchten Dreck für das eigene Programm interessiert, im Zweifel ist nur wichtig, was man persönlich möchte und einem nützt. Geschenkt. Muss man da tatsächlich die Vergangenheit einer Kandidatin für den NRW-Landtag so skandalisieren? Auf BILD-Niveau? Klar, ginge es um die BILD-Zeitung, dann wäre die Antwort eindeutig „Ja, muss man“, aber es geht ja gerade eben nicht um die BILD, sondern um Correctiv. Wir erinnern uns: „Themen, die andere Medien zu wenig beachten“. Ernsthaft? Die sexuelle Vergangenheit zu skandalisieren ist ein Thema, das andere Medien zu wenig beachten? Ist das wirklich so gemeint?

Sollte dem so sein, dann habe ich mich wohl getäuscht, was Correctiv betrifft. Das wäre schade. Aber möglicherweise folgt ja noch eine Korrektur des Beitrags. Eine Stellungnahme, die klar macht, dass das ein Ausrutscher war, nicht das Niveau, welches man in Zukunft von Correctiv erwarten muss…

Ja, es gibt bei den AfDern sicher einiges aufzudecken, zum Beispiel wenn diese Leute über ihre Schulden lügen, gegen Gesetze verstossen, sich mit klar rechtsextremen Organisationen wie der „Identitäten Bewegung“ verbrüdern und solche Dinge. Ja, so was muss aufgedeckt werden. Aber ob eine von denen früher mal im Nebenerwerb Sexarbeiterin war? So lange das freiwillig und legal war, ist es kein relevantes Thema, schon gar kein Thema, das in der Art skandalisiert werden sollte – zumindest nicht von seriösen Medien.

Update: Nein, die Erklärung von David Schraven überzeugt mich nicht, macht es irgendwie eher noch schlimmer für mein Empfinden. Aber vielleicht hilft der kleine Shitstorm ja, dass man bei Correctiv in Zukunft solche Griffe ins Klo nicht mehr bringt.

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Beitragsbild: stux via Pixabay, Lizenz: CC0

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