Die Strömungen der Piratenpartei

Irgendwie bin ich bei den Piraten wohl etwas fehl am Platz. Zumindest drängt sich mir dieser Eindruck auf, wenn ich mir diese Infografik anschaue, welche die Strömungen der Piratenpartei visualisieren soll. 
https://twitter.com/laenderrat_pp/status/484082886438821890
Echt jetzt, ich finde auf beiden Seiten Punkte und Personen, denen ich zustimme. Bei den Personen vielleicht nicht in allen Einzelheiten, aber zu welcher Strömung gehöre ich denn jetzt bitte? Und wo sind da bitte die unüberwindbaren Gegensätze? Bin ich zu pragmatisch oder warum sollte es einen Widerspruch geben zwischen einer Anpassung der Welt an den digitalen Wandel und dem Schutz der Freiheit des Einzelnen? Beides Gründe, warum ich Mitglied der Piratenpartei geworden bin.
Oder warum sollten sich „Gesellschaft ändern“ und „Privatsphäre schützen“ widersprechen? Was spricht dagegen beide Ziele zu verfolgen? Oder „Fehlende Grundrechte einfordern“ und den „Abbau der Grundrecht verhindern“. Ich finde den Widerspruch nicht. Und wenn ich dann noch diese anderen Parteilogos da sehe, dann bekomme ich das Kotzen. Wenn ich eine „Netz-Linke“ oder eine „Netz-FDP“ hätte haben wollen, dann wäre ich eben bei einer der beiden Parteien Mitglied geworden und hätte dort versucht etwas in Richtung Netz zu bewegen. Aber genau das wollte ich eben nicht (und soweit ich das aus Gesprächen mitbekommen habe, wollten das die meisten der Piraten ebenfalls nicht).
Es ging darum mal etwas ganz Neues zu probieren, eben nicht die ausgetretenen Pfade etablierter Parteien gehen, sondern einfach mal from scratch neu anzufangen eine Partei zu bauen. Klar kann man dabei Erfahrungen nutzen, die man schon gemacht hat – so wie es jeder Entwickler auch bei einem Rewrite seines Codes macht, aber eben nicht einfach bestehende Strukturen kopieren.
Eine Weiterentwicklung der Demokratie, Transparenz, ein modernes Urheberrecht, faire Chancen und Teilhabe für alle (sowohl was das Netz betrifft, als auch den Rest der des Lebens), so etwas wünschte ich mir.  Meine Piratenpartei sollte den digitalen Wandel begleiten, dabei optimistisch, aber auch kritisch sein. Nicht alles bejubeln, nur weil es aus dem Netz kommt, aber eben auch nicht immer nur die Risiken sehen. Und hey, Politiker sollten auch mal auf den Rat von Experten hören, nicht nur auf den  Lobbyisten mit dem dicksten Geldkoffer.
Ach ja, das klang alles mal so schön, aber irgendwie ist es auch so richtig schön in die Hose gegangen. Es war natürlich klar, dass auch Vollidioten, Aluhüte, rechte U-Boote und andere seltsame Gestalten versuchen würden, in der Partei Fuß zu fassen. Aber es waren so viele und wir alle haben es einfach nicht geschafft, unserer Partei und unserer politischen Arbeit eine Struktur zu verpassen, die den ganzen Vollpfosten die Möglichkeit nimmt im Namen der Partei zu sprechen. Wir waren ja auch selbst schuld, von wegen „Jeder Pirat darf für die ganze Partei sprechen“. Entschuldigung, aber das ist Bullshit, das hat inzwischen jeder kapiert. Hoffe ich.
Stroemungen der Piratenpartei
Und wir hatten’s auch immer auf jeden abgesehen, der „etwas besseres“ sein wollte. Hey, wenn einer im Vorstand sitzt und dort arbeitet, dann macht der das doch nur, weil er machgeil ist. Ja klar, ganz bestimmt. Warum glauben so viele, dass das so wäre und dass man Vorständen, Mandatsträgern und Beauftragten grundsätzlich misstrauen müsste? Ist es so schwer vorstellbar, dass jemand so einen Job übernimmt, weil er etwas für die Partei erreichen will und gar nicht so scharf auf ein Amt oder Mandat ist? Ist es so schwer vorstellbar, dass nicht jeder Mensch so ein elender Ego-Wichser ist Minimalselbstbewusstsein hat und für sein eigenes Wohlbefinden irgendwas wichtig klingendes auf eine wichtig aussehende Visitenkarte drucken muss? Wer das alles von Vorständen und Mandatsträgern denkt, der muss sich mal selbst fragen…
Aber klar, es gibt solche Gestalten und es gibt auch Mandatsträger, die nach ihrer Wahl scheinbar alle Grundsätze der Piratenpartei über Bord geschmissen haben. Mir fällt da so ein denkwürdiger Satz eines Mandatsträgers ein, der davon sprach auf die Transparenz ein großes Geschäft zu erledigen. Aber das sind doch nicht alle. Ich kenne ein paar persönlich und die meisten von denen würde ich auch wieder wählen (oder sie überhaupt wählen, wenn ich die Gelegenheit dazu bekäme).
Aber toll, jetzt habe wir wenigstens die Strömungen visualisiert, aber was machen wir jetzt mit Piraten wie mir, die zwischen den beiden Seiten gar keine so unüberbrückbaren Differenzen sehen, wie sie die schwarze Linie in der Mitte vermitteln. Klar, es ist viel sprichwörtliches Porzellan zerbrochen worden, es sind teilweise übelste Beleidigungen und Drohungen von beiden Seiten (um mich mal auf diese beiden in der Grafik identifizierten Strömungen zu beschränken).
Jetzt müssten wohl eine ganze Menge Piraten ihren Arsch hoch bekommen, den eigenen verletzten Stolz runter schlucken und mit „dem bösen Piraten vom anderen Flügel“ mal zusammen arbeiten. Alter Schwede, kann es denn echt so schwer sein, bei solchen Forderungen mal Kompromisse zu finden? So was wie „Okay, zuerst einmal versuchen wir die persönliche Freiheit und Privatsphäre zu sichern, denn das sind Grundlagen für Selbstbestimmung und eine Veränderung in der Gesellschaft“? Oder auch „Verbraucherschutz ist wichtig, Menschenrechte sind wichtig, wir wollen beides stärken!“? Kann man denn nicht auch neue Demokratieformen entwickeln, während man gleichzeitig die schlimmsten Auswüchse des bestehenden Systems (den extremen Lobbyismus) bekämpft? Einfach mal so als Team… Entschuldigung, einfach mal als eine Partei denken und handeln. Nicht als Linkspiraten und Rechtspiraten. Es gibt doch nun wirklich mehr als genug zu tun!
Echt jetzt, will eigentlich in der Partei noch irgendjemand wirklich Politik machen oder geht es nur noch darum, sich gegenseitig verbal (zumindest bis jetzt) die Schädel einzuschlagen?
Sorry, eigentlich wollte ich bloß auf diese Strömungsgrafik hinweisen und anmerken, dass ich mich da nicht wieder finde, aber irgendwie…

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